Uwe Jung, Jahrgang 1967 kommt aus Wörrstadt-Rommerheim und verfasst in seiner Freizeit seit etwa 15 Jahren Kurzgeschichten. Des Weiteren nimmt er regelmäßig am rheinhessischen Mundartwettbewerb, der vom Arbeitskreis Kultur in Alzey veranstaltet wird, teil.
Veröffentlichungen:
In rheinhessischer Mundart: in „Es Babbelbuch“ (2003) und „Es zwodde Babbelbuch“ (2010), in denen die Siegertexte der Rheinhesischen Mundartwettbewerbe 1999 bis 2009 veröffentlicht werden.
Mundartbeiträge in den Heimatjahrbüchern des Landkreises Alzey Worms (2004 und 2009)
Kurzkrimi in der Krimi-Anthologie „STEINreich“, herausgegeben vom Flonheimer Verein „Kultur im Trulliland“ (2008)
Er liest aus seinem Manuskript „Geschichten aus dem Gestrüpp des Alltags“, die er immer wieder bei literarischen Weinproben zum Besten gibt.
Kontakt können Sie aufnehmen unter der Telefonnummer +49 (0)175-7381200 oder per E-Mail uwejung811@web.de.
Der Schriftsteller aus Rommersheim bei Wörrstadt wird im Weingut Bernhard-Räder am Sonntag, 22. April 2012, um 14.00 Uhr aus seinen Werken lesen.
Ich höre gerne Radio, Rocksender, in denen die Songs meiner Jugend genauso gespielt werden, wie die Klassiker aus den sechziger und siebziger Jahren, aber auch aktuelle Titel von jungen, innovativen Bands, die ihre Instrumente wirklich noch beherrschen. Und ich liebe diesen einem Moment, wenn das Intro anfängt und man für einen Augenblick innehält, um zu erahnen, um welchen Titel es sich handelt. Wenn ich den Song an den ersten Takten erkenne, so ist das für mich ein innerer Triumph.
Was ich nicht mag, sind diese Dudelfunk-Sender, die am Tag zehn Mal das gleiche Lied spielen und die Hörerschaft mit Einheitsbrei zukleistern. Heavy Rotation nennt man das.
Bis vor kurzem rief ich meinen zwölfjährigen Sohn immer wieder zu mir, als ob ich ihm etwas Besonderes mitzuteilen hätte, nur um dann zu erwähnen, dass gerade ein wichtiges Lied im Radio läuft, nenne Titel und Interpret. Irgendwann reagierte er recht genervt darauf.
Ich habe dann auch gemerkt, dass der Junge Lieder ablehnt, die ich ihm von CD vorspiele, weil ich sie für wichtig halte. Er hält CDs wie er es ausdrückt, für nicht „up to date“. Heutzutage, so sagt er, saugt man Musik aus dem Netz. Auf der anderen Seite findet er aber toll, dass ich im Partyraum im Keller noch einen Plattenspieler und meine LP-Sammlung habe. Er meint, das sei so richtig retromässig.
Seit ich ihn nicht mehr so oft auf wichtige Lieder aufmerksam mache, ist mir aufgefallen, dass auch er, wenn das Intro eines Liedes im Radio ertönt, innehält, nur diesen einen Moment, um abzuwägen, ob er es toll finden soll, oder ob es ein Stück ist, das ich als wichtig erachte.
Also habe ich mit Dieter gesprochen, er ist Hausmeister in der Schule und in meiner Sportgruppe. Er spielt jetzt in der Pause an der Theke des Schulmilchverkaufs wichtige Lieder, die ich ihm, auf CD gebrannt, vorgebe. Vorgestern hat er sogar die 18-Minuten Live-Version von In-a-gadda-da-vida in der großen Pause laufen lassen.
Mein Sohn ist in den letzten Wochen schon viermal heimgekommen und hat von tollen Songs erzählt, die in der Pause laufen. Ich habe nur beiläufig erwähnt, dass ich die Titel kenne. Jedoch befürchte ich, dass er irgendwann merken wird, dass ich alle Lieder auf CD habe, die Dieter so spielt, er wird sich was zusammenreimen und sauer sein.
Er hat sich jetzt einer diese neuen Casting-Bands zugewandt, Möchtegern-Rockstars, die als Marionetten von Bohlen und Co. das deutsche Fernsehpublikum teils in ihren Bann ziehen und größtenteils nerven. Er ruft sogar während der Sendung an, um die Teilnehmer, die er als Mitglied der noch zu benennenden Band sehen will, zu unterstützen. Ich sehe mir das nicht an, höre höchstens mal kurz rein, wenn mein Sohn eine dieser Shows ansieht. Vor ein paar Wochen, als das Lineup, die Besetzung der Gruppe dann endlich feststand, hat er doch tatsächlich ein Exemplar der ersten CD dieser neuen Retortenband gewonnen.
Ganz stolz nahm er mich in die Pflicht und sagte: „Papa, das musst Du dir jetzt Mal reintun, immer erzählst Du mir was von wichtigen Liedern, jetzt hör Dir Mal meine Musik an.“ Ich hab das dann widerwillig getan und bereits nach ein paar Takten wollte ich etwas einwenden, doch er bat mich, still zu sein. Ich hatte sagen wollen, dass ich das Lied kenne, vielmehr das Original, denn natürlich handelte es sich um eine Coverversion eines wirklich wichtigen Liedes. Doch dann entschied ich mich, lieber zu schweigen.
Letztendlich bestand die ganze CD, bis auf drei halb-herzige neue Songs, aus Coverversionen. Ich ließ meinen Sohn in dem Glauben, diese neue Band sei genial, da sie in der Lage war, solche Songs zu schreiben und zollte der Gruppe Respekt. Am nächsten Tag nahm ich das Album neu auf, d. h. ich brannte eine CD mit den Originalversionen in der selben Reihenfolge. Die neuen Songs ersetzte ich durch wirklich wichtige Lieder mit ähnlichen Titeln.
Als ich die CD „rein zufällig“ im Auto laufen ließ, während ich meinen Sohn zum Training fuhr, wunderte er sich über die seltsamen Versionen der Songs. Ich erwähnte beiläufig, es handele sich um ein Tribute-Album, das ich zufällig im Internet gefunden und sofort „gesaugt“ hätte. Er meinte, es höre sich gar nicht schlecht an, vielleicht ein bisschen angestaubt, und nach einem kurzen Moment fügte er hinzu, es sei nahezu retromäßig.
© Uwe Jung